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Agiles Entscheiden in der digitalen Arbeitswelt

Kurswechsel
… Agiles Entscheiden heißt beweglich sein.

Früher war alles besser.

Und einfacher.

Da entschied einer und das wurde dann gemacht. Ein Einziger.

Es war die Zeit der Fünfjahrespläne, in denen dann die Entscheidungen auch durchgehalten wurden. Auch wenn es in den Untergang führte, was die Geschichte häufiger mal als Beweis erbrachte.

Dann kam die Zeit, als ich zum ersten Mal an der Programmierung einer Datenbank mitwirken durfte. Ich musste die inhaltlichen Vorgaben machen. Lastenheft nennt sich das.

„Herr Hahn, können Sie mit Sicherheit sagen, dass der Fall der Gratisvergabe von Einsernoten für die Studenten nicht doch irgendwann mal eintreten könnte? Wir brauchen jetzt eine verbindliche Entscheidung. Für alle Zukunft!“

Entscheidung 1.0

So wurde damals programmiert. Lastenheft mit Anforderungen erstellen. Alle Eventualitäten mussten vorher durchgekaut und entschieden werden. Alle. Dann wurde demgemäß programmiert. So sahen die Ergebnisse dann oft auch schauerlich aus. Weil …, ja weil sich die Praxis zwischenzeitlich längst geändert hatte und sich nicht mehr an die Programmierung hielt. Aber das Programm war ja nun mal fertig.

Weil falsche Entscheidungen in diesem Ansatz so fatale Folgen hatte, entschied man im Zweifel gar nicht. Oder nach langer Prüfung. Oder vielen Meetings. Und wenn eine Fehlentscheidung geschah, musste das Programm oft dennoch durchgezogen werden. Weil ja bereits entschieden worden war.

Entscheidungsfindung der alten Schule. Projektmanagement der alten Schule. Linear. Entscheidungsprozesse vor Projektumsetzung. Basta.

Agile Entscheidungsfindung

So wird das heute nix mehr. Ich plädiere für den Begriff „Agiles Entscheiden“. Denn heute entscheidet man „agil“. In einer mehr und mehr digitalisierten Arbeitswelt, die sich ständig, andauernd rasant ändert, haben Entscheidungen oft eine Halbwertszeit von nur wenigen Tagen oder gar Stunden. Externe Faktoren, diverse Interessen, unterschiedlichste Player erfordern flexible, bewegliche Entscheidungsprozesse.

„Agil“ kommt vom lateinischen „agilis“ und bedeutet „flexibel, beweglich“.

Agiles Entscheiden.

Weil

  • die (Arbeits-)Welt immer komplexer wird und sich immer rasanter ändert.
  • sich Prozesse im Verlauf stets anders entwickeln, als man es ursprünglich vorhersehen konnte.
  • die beteiligten Akteure mittendrin auf einmal neue Anforderungen stellen, die befriedigt werden wollen.
  • es unzählige Umweltfaktoren gibt, die auf die Prozesse einwirken und veränderte Strategien und Entscheidungen erfordern.
  • zeitgemäße Wissensarbeit per Definition darauf angelegt ist, Prozesse zu verändern und Erkenntnisse zu erweitern.

Agiles Entscheiden.

Flexibel. Beweglich. Entscheidungen im Verlauf der Zeit überprüfen, überdenken, überarbeiten. Stets wissend,

  • dass für ewig getroffene Entscheidungen sowieso durch die Realität eingeholt und oft überholt werden.
  • dass meine Entscheidungen nur ein Teil der Zutaten für die Entstehung der Zukunft sind, selbst wenn ich DER Entscheider sein sollte.
  • dass auch eine kluge Strategie schon immer Beweglichkeit, Flexibilität, Selbstreflexion beinhaltete. Das wussten schon die alten Chinesen.

Agilität als Führungskompetenz wie gerade gleichzeitig bei Svenja Hoferts teamworks und bei Simones Jansons berufebilder thematisiert. Richtig hipp geworden ist der Begriff „Agil“ übrigens im Bereich der Softwareentwicklung und dem damit verbundenen Projektmanagement. Heutige Nutzeranforderungen erfordern nämlich dort einen flexiblen Umgang mit unvorhergesehenen Einflüssen, die nicht vorhersehbar und planbar sind.

Einige Merkmale von Agilem Entscheiden

Der Begriff „Agiles Entscheiden“ ist ja neu. Deswegen lege ich arbeitshypothetisch einige Merkmale auf den Tisch, die ich für diesen Prozess wichtig finde.

  • Bereitschaft zur Prüfung und Revision von Entscheidungen.
  • Regelmäßiger Soll-Ist-Abgleich: Stimmt die Entscheidung noch?
  • Sprints: Kurze Phasen, in denen besonders viele Entscheidungen getroffen werden.
  • Einbeziehung vieler Akteure in den Entscheidungsprozess.
  • Moderieren des Entscheidungsprozesses als Führungsaufgabe, statt einsame Entscheidung.
  • Fehlerkultur etablieren.
  • Fehlentscheidungen zulassen, einplanen und beizeiten bejubeln, wie bei den legendären FuckUp Nights.

Wer häufiger am Punkt steht, seine Entscheidungen zu hinterfragen, der erkennt Muster und Dinge, die in den Entscheidungsprozessen immer wieder auftauchen. Und genau daher kommt meine persönliche Liste der

12 Dinge, die man tun kann, um agil zu entscheiden

  1. Mut zum Tun. Kaum eine Entscheidung ist unrevidierbar.
  2. Andere fragen. Ratgeber ins Boot holen, Beteiligte befragen.
  3. Über anstehende Entscheidungsprozesse mit vertrauten Menschen sprechen.
  4. Die Entscheidung erklären.
  5. Fehlentscheidungen zugeben.
  6. Fehlerkultur anderen zugestehen.
  7. Fehlentscheidungen anderer akzeptieren.
  8. Keine unendlichen Rechtfertigungen für „falsche“ Entscheidungen.
  9. Entscheidungen regelmäßig prüfen.
  10. Zu einer Entscheidung stehen.
  11. Neu entscheiden.
  12. Umentscheiden.

#jetztentscheideich – #soentscheideich

Btw.: So laufen auch meine Entscheidungen. Ich meine: Agil. Als Geschäftsführer der LVQ bin ich ja quasi berufsmäßiger „Entscheider“.

Manchmal entscheide ich auch über Dinge, deren Ausgang ich noch gar nicht absehen kann. Zu deren Entscheidungsfindung uns eigentlich Informationen fehlen. Weil es diese Infos noch gar nicht gibt. Weil wir die Hintergründe nicht bis ins letzte Detail verstehen. Weil während des Entscheidungsprozesses ständig neue Faktoren auftreten, die letztendlich dazu führen, dass meine Entscheidung nur einer von vielen Aspekten des Ergebnisses ist.

Aber „Entscheider“ müssen entscheiden. Ob sie wollen oder nicht. Nur sagen sie es in der Regel keinem, wenn sie nicht wollen oder können.

Denn: Rumlavieren zählt eben nicht.

Weil: „keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung.“

Oder?!

Wie entscheiden Sie?

Dieser erste Artikel der Serie „Arbeiten 4.0 verändert die Welt“ ist übrigens mein Beitrag zur Blogparade #jetztentscheideich der Businessladys aka Ute Blindert, die noch bis zum 08.11.2015 geht.

Weitere Beiträge der Blogparade:

Der Autor: Lars Hahn ist der Entdecker von ‚Systematisch Kaffeetrinken‘ und Social Media Enthusiast. Hier bloggt er persönlich. Als Geschäftsführer der „LVQ Weiterbildung gGmbH“ beschäftigt er sich mit Weiterbildung, Recruiting, Arbeitsmarktthemen, Karriereberatung und Social Media. Lars Hahn ist zu finden bei XING, Google+, Twitter und in vielen anderen sozialen Netzwerken.

Von Lars Hahn

Entdecker von 'Systematisch Kaffeetrinken'. Hier persönlich. Sonst Geschäftsführer @LVQ_Bildung. Bloggt über die Arbeitswelt, Social Media und allerlei Digitalkram.

9 Antworten auf „Agiles Entscheiden in der digitalen Arbeitswelt“

Lieber Lars,

toller Artikel! Über den Punkt „Keine unendlichen Rechtfertigungen für ‚falsche‘ Entscheidungen“ ließe sich glatt ein eigener Artikel schreiben, allein schon, weil sich darauf sooo viel Zeit verplempern lässt (statt neu oder umzuentscheiden). Danke für die Inspiration!

Übrigens: Den Begriff „agiles Entscheiden“ kannte ich noch nicht. Vielleicht liegt es an der Entfernung zwischen Essen und New York. In meinen Ohren klebt „agil“ jedenfalls ganz fest an „Senioren“ – als feststehender Begriff für die rüstigen Alten. Aber die sind ja eigentlich ein gutes Vorbild. ;-)

Schönen Gruß
Petrina

Danke Petrina für Deinen Kommentar.
Agiles Entscheiden konntest Du auch noch nicht kennen. ;-)
Hier im Ruhrgebiet sagt man ja „Butter bei die Fische“, wenn man „zackig“ meint.
Und agil kommt tatsächlich aus der Entwickler-/Programmierer-/Softwareszene und heißt einfach, das man nicht mehr einen starren Plan verfolgt, sondern im Prozess flexibel bleibt.

„Agile Entscheidung“ klingt in der Praxis leider nach „keine Verbindlichkeit“. Gerade in der Softwareentwicklung halte ich auch heute Lastenhefte für unabdingbar. Wichtige Kundenwünsche, die unbedingt am Schluss noch eingebaut werden müssen, hat man doch ohnehin schon.

Danke für den Kommentar. Zwischen „keine Verbindlichkeit“ und „keine Beweglichkeit“ gibt es natürlich eine ausgewogene Mitte. Diese zu finden ist bestimmt der Königsweg.

Meine Erfahrung: Man programmiert ein Lastenheft in einem Startup und wenn es dann realisiert ist, sind die Prozesse ganz anders. Dann hilft eben des beste Lastenheft nix.

Lieber Lars,

ich hab Deinen Artikel erst jetzt entdeckt.
Trotzdem: Vielen Dank für diesen guten Artikel! Ich finde, er fasst die Veränderungen der Zeit noch mal gut zusammen und macht deutlich, dass wir alle uns umstellen werden müssen, egal um welche Branche oder Tätigkeit es geht.
Dabei, das Thema „Agiles Entscheiden“, wie Du es beschreibst, kenne ich noch gut aus meiner Arbeit im Krisenstab. Für die Stadt Dortmund war ich lange für den Krisenstab zuständig und habe dort die Stabsarbeit im Einsatz moderiert. Und Entscheidungen hatten dort immer eine große Dimension. Sprich, sie waren oft von großer Tragweite, politisch und in der Aussenwahrnehmung entsprechend intensiv beobachtet und vor allem standen Sie immer in der Dynamik der Ereignisse. Es war immer wichtig zu gucken, welche Auswirkungen hat die Entscheidung des Stabes, welche Dinge passieren parallel, können die ergriffenen Maßnahmen Erfolg haben oder kommen sich Maßnahmen unterschiedlicher Einheiten in die Quere. Eine ziemlich komplexe Gemengelage. Und das, was wir „nur“ im Einsatz meistern mussten, scheint ja dann tatsächlich eine alltägliche Herausforderung zu werden. Ich finde es spannend und bin gespannt, wie lange es dauert, dass sich die Arbeitswelten daran anpassen bzw. hilfreiche Umgangsformen mit den veränderten Rahmenbedingungen finden.
Viele Grüße!
Maike

Das mit dem Lastenheft ist bei uns auch oft ein dauerhaftes Problem. Schön, dass es das gibt, aber wenn das Projekt zu Ende ist, sind die Anforderungen meist um 180 Grad gewandelt. Ein echter Graus…

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